Woche 9

Bildungssystem Namibias

Am Montag und am Dienstag durfte ich an der Delta Secondary School Windhoek (DSSW) einen Schulbesuch machen. Rudis Freundin ist an dieser Schule eine Lehrperson für die Fächer Deutsch und Mathematik. Doch bevor ich euch von meinen Erlebnissen erzähle, gehe ich kurz auf das staatliche Bildungssystem von Namibia ein. Es unterscheidet sich doch ziemlich vom Schweizer System.


Schulstufe Alter Fächer
Pre-Primary = Vorschule / Kindergarten 5 - 6 Jahre

grundlegende Fähigkeiten in Sprache & Schrift

vorbereitende Mathematik, Umwelt, Kunst, spielerisches Lernen, Religion und Moral&Ethik

 

Junior Primary = Untere Primarschule

1. bis 3. Klasse

7 - 9 Jahre

Mathematik, Englisch als Hauptfach, zweite Landessprache nach Wahl 

wie Deutsch, Afrikaans, Khoisansprachen (Klicklaute) oder Bantusprachen

und sogar namibische Gebärdensprache,

Umwelt, Kunst, Sport und Moral&Ethik

 

Senior Primary = Obere Primarschule

4. bis 7 Klasse

10 - 14 Jahre

obligatorische Hauptfächer: Mathematik, Englisch,

zweite Landessprache nach Wahl wie Deutsch, Afrikaans,

Khoisansprachen (Klicklaute) oder Bantusprachen

und sogar namibische Gebärdensprache, Naturkunde und Gesundheits- und Gesellschaftskunde

vor-berufsbildende Wahlfächer: Design und Technologie,

grundlegende Landwirtschaft, Unternehmertum und Mensch&Umwelt

ergänzende Fächer: Lebenskunde, Religion, Ethik&Moral, Kunst, 
Informatik&Kommunikation und Sport.


Und somit endet die obligatorische Schulzeit in Namibia. Nach 7 Jahren Primarschule oder mit 16 Jahren können die Kinder einen Beruf lernen. Wer als Ziel ein Hochschulstudium in Namibia oder im Ausland hat, der muss nochmals 5 Jahre in die Schule. In Namibia wird das Secondary School genannt, also Sekundarstufe. Das dürft ihr aber nicht mit der Sekundarschule in der Schweiz vergleichen, sondern eher mit dem Gymnasium. Die oben genannten Fächer sind auf einem höheren Level und es kommen Fächer wie Physik, Chemie, technisches Zeichen, Geographie, Geschichte und Musik dazu. Ende der 12. Klasse kriegen die Schüler einen Maturabschluss, die sogenannte Matric. Mit diesem Abschluss können die Schüler an Hochschulen in Namibia nicht aber im Ausland studieren. Um im Ausland studieren zu können, müssen sie nochmals ein Jahr dranhängen oder schon zu Beginn eine Privatschule auswählen. So zum Beispiel die Deutsche höhere Privatschule (DHPS), welche vom Bildungssystem Namibias abweicht. Die Schüler dort arbeiten auf einen Abiturabschluss hin, mit welchem sie in Deutschland oder Südafrika studieren können. Viele junge Leute zieht es nach der Schule ins Ausland, wo sie bessere Ausblidungsmöglichkeiten haben. Das Bewertungs- bzw. Notensystem weicht je nach Schule ab. Es gibt zum Beispiel Noten mit einem Buchstabensystem (A-F), einem Punktesystem (0-15) oder einem Prozentsystem.

Die Delta Schule ist eine Secondary School (8. bis 12. Klässler). Am Montag war ich mit der Freundin von Rudi unterwegs. Sie heisst Gerlind und ist Mathematik- und Deutschlehrerin. Ja, ihr habt richtig gelesen, es wird an einer Staatsschule Deutsch als 2. Landessprache unterrichtet. Die Unterrichtssprache muss aber auf Englisch oder Afrikaans sein. Dass Deutsch als zweite Sprache unterrichtet wird, hat auch damit zu tun, dass die Delta früher eine Deutsche Schule war. Seit der Unabhängigkeit Namibias hat die Regierung die Schule als Staatsschule definiert. Heute sind die weissen Lehrer und Schüler in der Unterzahl. Die Delta Schule ist eine der besseren Staatsschulen, da sie vom Staat unterstützt wird und die Eltern Schulgeld zahlen. Es gibt Staatsschulen, die kein Schulgeld verlangen und nur sehr wenig Subventionen von der Regierung erhalten. Das wirkt sich auf die Kompetenzen der Lehrer und auch auf die Schulanlagen sowie Einrichtungen aus, welche zum Teil in einem sehr traurigen Zustand sind. Die Klassenräume der Delta sind relativ klein genau wie die Schulbänke aus Holz. Pro Klassenzug hat es etwa 30 Schüler. Gerlind hat ihr Klassenzimmer im Gegensatz zu den anderen Zimmern sehr aufwändig gestaltet und mit vielen Plakaten sowie Sprüchen dekoriert. Die erste Stunde begann mit Deutsch für Elftklässler. Die Schüler sind im Alter zwischen 17 und 18 Jahre. Aus Spass stellte ich mich auf Schweizer Deutsch vor. Gerlind sagte aber den Schülern, dass ich normales Deutsch spreche. Die Schüler, die Deutsch nicht als Muttersprache sprechen, waren dementsprechend verwirrt und enttäuscht, dass sie immer noch kein Deutsch verstehen. Fies von uns, aber wir haben es gleich aufgelöst. :-) Die Schüler bleiben aus Respekt vor ihren Bänken stehen, bis die Lehrer ihnen sagen, dass sie sich setzen dürfen. Gerlind unterrichtet Low-Level Schüler, also wie die Sek C in der Schweiz. Diese sind eher anstrengender zu unterrichten und halten sich auch nicht wirklich an die Regeln.

Die Schüler an der Delta Schulen tragen einheitliche Uniformen. Ein Konzept, welches wir in der Schweiz meiner Meinung nach auch wieder einführen sollten. Die Uniformen sind angemessene Kleidungen für den Unterricht und zeigen Respekt. Ich finde es respektlos und nicht angebracht, wenn bei uns die Schüler in Trainerhosen im Unterricht sitzen. Zu dem verhindern Uniformen Ausgrenzungen wegen Markenkleidung und Spott über Kleidungsstile.

In Deutsch haben wir mit den Elftklässlern ein Leseverständnis mit Fragen über einen deutschen Text gemacht. Ich bin froh, ist Deutsch meine Muttersprache und muss sie nicht von Grund auf neu lernen. Den Schülern fiel es ziemlich schwer, Sätze zu bilden und die vier Fälle zu bestimmen. Ich kannte die Regeln für die vier Fälle gar nicht mehr, da ich diese im Sprachgefühl habe. Mit den Zwölftklässlern haben wir das Perfekt angeschaut. Eine Zeitform, die sie nicht verstehen. Besonders mit den Ausnahmen haben sie Mühe. Wann verwendet man "sein" und wann "haben". Die unregelmässigen Partizip II müssen sie auswendig lernen. Obwohl es im Englischen etwa 200 Ausnahmen mehr gibt als im Deutschen, tun sie sich damit schwer. Die Arbeitsblätter fand ich ziemlich lustig, da die Erklärungen auf Englisch sind und die Übungen auf Deutsch. Genau umgekehrt wie der Englisch Unterricht in der Schweiz (siehe Bild)

Die Mathematik war schon hochstehender. Es kamen Themen vor, die ich zu Beginn der Berufsmatur hatte wie Lineare Gleichungen. Mathematik auf Englisch ist gar nicht so einfach. Ich tat mich schwer, die Aufgabenstellung und Fachbegriffe zu verstehen. Diesen Wortschatz habe ich in Süd Afrika an der Sprachschule nicht gelernt :-)  Generell kamen wir in den 40 Minute nicht schnell vorwärts mit den Arbeitsblätter. Wir schafften knapp eine Seite. Die Low-Levler haben keine schnelle Auffassungsgabe und schwatzen viel im Unterricht. Auf Deutsch haben besonders die schwarzen Kinder keine Lust, hatte ich zumindest das Gefühl. Der Grund dafür liegt vermutlich wieder in der tragischen Vergangenheit des Landes. Besonders die Kinder, die aus dem Volk der Hereros abstammen, hören den weissen Lehrer schlecht zu und trotzen ihren Anweisungen. Die Herero Männer lassen sich von Frauen generell nichts sagen und ganz bestimmt nicht von weissen Frauen. Rassismus und Traditionen sind bei den Schülern immer noch in den Köpfen. Gerlind musste schon viele schwierige Phasen mit diesen Schülern durchleben. Sie hat wirklich keinen leichten Job, aber sie versucht das Beste aus jedem einzelnen Schülern rauszuholen und nimmt sich für alle viel Zeit - auch noch nach dem Unterricht.

Umgekehrt sympathisierten schwarze Lehrer eher mit den schwarzen Schüler und nehmen diese öfters dran, wenn sie aufstreckten. Letzteres habe ich am zweiten Tag gemerkt, als ich mit einer Highlevel Klasse unterwegs war. Die Klassen wechseln übrigens für jedes Fach das Klassenzimmer und den Lehrer. Häufig werden die Klassen durchmischt. Jeder Schüler hat sozusagen seinen persönlichen Stundenplan. Klassenzusammenhalt kann so nicht wirklich entstehen. Mit dem Rassismus geht es auf dem Pausenplatz weiter. Weisse Schülern spielen gemeinsam Fussball und schwarze Schüler essen zusammen in der anderen Ecke vom Pausenplatz. Es gibt eine deutliche Rassentrennung. Ich habe mit ein paar weissen Schülern gesprochen. Sie sagten, das störe sie nicht und nach der Secondary School, wollen sie sowieso im Ausland - am liebsten Europa - studieren. Die erste Lektion beginnt um 7.00 Uhr. Grosse Pause ist von 9.55 bis 10.20 Uhr. Es gibt keinen Nachmittagsunterricht. Die Schule endet für alle um 13.15 Uhr. Einerseits toll, dass jeder Nachmittag frei ist, andererseits hart so lange ohne Mittagessen durch zuhalten. 

 

Es waren auf jeden Fall zwei sehr spannende Tage. Die Schulen Namibias mit den Schulen in der Schweiz zu vergleichen, gaben einige interessante Erkenntnisse. Hier noch ein paar Bilder von der Schule:

Was ich sonst noch so erlebte

Mein Gastvater und ich gingen diese Woche zum namibischen Radiozentrum in Windhoek "NBC" . Mein Gastvater nahm fünf Morgenandachten und eine Samstagsandacht für den deutschsprachigen Radiosender "Funkhaus Namibia" auf. Vielleicht kann sogar ich mal eine Morgenandacht schreiben und dann vorsprechen. Es wäre schon ziemlich cool, wenn mein schweizerisches Hochdeutsch über das namibische Radio ausgestrahlt würde. :-) 

Am Samstag war mein erster Jungschartag. Wir setzten die Geschichte vom Sven dem Wikinger aus der Kinderwoche fort. Dieses Mal lernte Sven vertrauen. In der biblischen Geschichte ging es darum, dass ein Gelähmter auf Jesus vertrauen musste, um wieder gesund zu werden. Ich organisierte ein Geländespiel, was gar nicht so einfach war zum Thema Vertrauen. Ich machte einfach ein Spiel, welches zum Thema Wikinger passte - ein Wikinger Monopoly. Leider hatten wir nur 4 Stunden Zeit, sodass neben Basteln, Snack, Theater und Singen kein Platz mehr für mein zweites Spiel - ein Vertrauensparkour - war. Aber den Kindern hat der Tag Spass gemacht und lieber zu viel Programm organisieren als zu wenig.

Ich erlebe momentan sehr viel hier in Namibia, sodass ich gar nicht nachkomme mit Blogeinträgen schreiben. Darum bin ich ein bisschen im Hintertreffen. Ich freue mich trotzdem, wenn ihr immer wieder auf meiner Seite vorbeischaut. 

 

Kalte Grüsse aus dem winterlichen Namibia. :-)

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Kommentare: 1
  • #1

    Dési (Dienstag, 09 Juli 2019 07:39)

    Sehr cool und vorbildlich mit de Gebärdesprach als Wahlfach..
    Kei Stress mit schriebe Sämi- mir sind mängisch au hinedrie mit läsä;-)