Wochen 15 & 16

Beautiful Kidz Namibia

Viele Waisenkinder in Katutura haben keine Chance zu überleben. Besonders Kinder, die mit HIV infiziert sind, werden von den Eltern einfach ausgestossen. In Namibia gibt es über 200'000 Waisenkinder. Diese Entwicklung gleicht einer tickenden Zeitbombe für die Gesellschaft und Wirtschaft Namibias. Die niederländischen Gründer der Kindertagesstätte und Vorschule "Beautiful Kidz" haben beschlossen, diese Not zu bekämpfen. Seit 2003 entwickelt sich Beautiful Kidz zu einer sehr gefragten Anlaufstelle für die ärmsten Familien in Katutura. 80 Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren kriegen von 7.30 bis 15.30 Uhr eine rundum Betreuung. Für ca. 200 Namibia Dollar im Jahr gibt es Frühstück, schulische Grundbildung, Mittagessen, Snacks und spielerische Aktivitäten. Den Kindern werden aber auch moralische Werte und Tipps zur Hygiene mitgegeben. Ihnen wird zum Beispiel gezeigt wie man sich die Zähne putzt und die Hände wäscht. In den täglichen Morgenandachten kommen christliche Werte nicht zu kurz. Es arbeiten fünf namibische Lehrer sowie viele Freiwillige aus Namibia aber auch von "Youth with a Mission" bei Beautiful Kidz. Mit der Zeit kamen immer mehr Projekte hinzu. In der Computerklasse lernen die Kinder grundlegende Kenntnisse aus der Informatik. Das Nähprojekt "Anusa" macht aus alten Schuluniformen Kleider für die Kids. Es gibt auch ein Angebot für die Jugendlichen, damit sie von der Strasse geholt werden und nicht in Kontakt mit Drogen & Alkohol kommen. Im hauseigenen Fussballclub sowie im Chor und in den Tanzklassen können die Kinder ihre Talente entdecken. Für junge Mütter werden im Katutura Hospital Kurse angeboten, in denen sie lernen, wie sie ihr Baby und sich selber richtig ernähren. Ausserdem erhalten sie praktische Anweisunge  zur Kinderbetreuung und Erziehung. Am Nachmittag gibt es Hausaufgabenhilfen. In den Ferien werden Kinder- und Jugendcamps organisiert. Wie ihr sehen könnt, gibt es ein riesiges Angebot für Kinder und Jugendliche.

 

Ich bin wirklich begeistert von Beautiful Kidz und ihrer täglichen Arbeit. Jeden zweiten Mittwoch darf ich in diese aussergewöhnliche Welt eintauchen. Am Morgen wurde ich immer auf die Hausbesuche mitgenommen. Wir besuchten zu Fuss die Familien in Katutura, welche ihre Kinder für die Vorschule angemeldet haben. Mit diesen Besuchen stellen sie sicher, dass wirklich nur die ärmsten Familien von diesem sehr günstigen Kindergarten/Tagesbetreuung profitieren. Die zwei Mitarbeiter von Beautiflul Kidz befragen die Mütter über ihr Einkommen, Miete, Elektrizität, Wasserzugang, Vater des Kindes, erziehungsberechtigte Personen sowie über das Verhalten und die Eigenschaften des Kindes. Die Mitarbeiter schreiben alles auf ein Formular. Im Oktober werden dann die Bewerbungen ausgewertet. Es wird entschieden, welche Kinder für das neue Semester in den Kindergarten aufgenommen werden. Die Mütter arbeiten meistens als Putzfrauen oder verkaufen selbstgemachte Esswaren. Zwar sind die Mieten in Katutura günstig. Häufig fehlt es aber an Strom und Wasser. Am Schluss bleibt meistens fast nichts mehr für die Ausbildung der Kinder übrig. Zum Beispiel besuchten wir ein Frau ohne Mann aber mit Kind, die nur 600 Namibia Dollar -  etwa CHF 40.- -  im Monat mit ihrem Brotverkauf verdient. Sie erzählte uns, dass sie aber noch die Zutaten fürs Backen mit dem Gewinn bezahlen muss. In einem solchen schwierigen Fall fällt die Entscheidung nicht schwer. Natürlich müssen die Mitarbeiter aus dem Gespräch herausspüren, ob die Mütter auch die Wahrheit über ihre Lebenssituation erzählen. In solchen aussichtslosen Situationen versuchen die Menschen mit allen Mitteln das Beste daraus zu machen und schrecken von Betrug nicht zurück. Für mich sind diese Besuche einzigartige Möglichkeiten, die Kultur in Katutura hautnah mitzuerleben. Es ist beinahe unmöglich auf eine andere Art und Weise in die Häuser und Hütten in Katutura zu gelangen. Ich werde jeweils mit staunenden Blicken der Bewohner angeschaut. Es ist schon speziell, dass sich ein Weisser so tief in diese Gegend verirrt hat. Einmal wollte mich sogar jemand auf den Mund küssen, weil das in ihrer Kultur als normale Begrüssungsform gilt. :-)

 

An den Nachmittagen machten wir mit den Freiwilligen von "Youth with a Mission" sogenannte Outreaches - übersetzt freundlicher Kontakt. Dazu fuhren wir mit einem Minibus raus zu den Blechhütten und gestalteten Spiel-, Sing- und Tanznachmittage für die Kinder dort. Das ist eine wirklich geniale Sache. Die etwa 100 Kinder tanzen unheimlich gerne zu den christlichen Liedern. Wir nahmen sogar grosse Lautsprecher mit. Nachdem Singen und Tanzen gab es einen geistlichen Input. Bevor wir wieder zurück fuhren, kriegten die Kinder noch einen kleinen Snack- meistens ein Minitüte Chips - und einen Becher Saft. Nach den zwei Stunden war ich immer ganz schön erschöpft. 

 

In den kommenden Wochen sind Schulferien, was bedeutet das Beautiful Kidz geschlossen hat. Im September und Oktober darf ich dann auch in andere Projekte der Tagesstätte reinschauen.

Môreson Special School

Noch schwieriger als Waisenkinder haben es Kinder mit geistigen oder körperlichen Behinderungen in Katutura. Nach dem veralteten Glauben der namibischen Völker sind diese Kinder von einem bösen Geist besessen und werden deshalb von den Familien ausgestossen. Dazu kommt, dass diese Kinder deutlich mehr Betreuung brauchen, für welche die Eltern sowieso keine Zeit und Lust haben. Schrecklicherweise werden diese Kinder nur als eine Plage angesehen. Eine der wenigen christlichen Sonderschulen in Windhoek gibt den behinderten Kindern genau das, was sie ganz dringend brauchen - nämlich Liebe, Zuneigung und das Gefühl, dass sie gebraucht werden und wertvoll sind.

 

Môreson bietet den über 120 Kindern eine schulische Grundbildung (1. bis 7. Klasse) und Anleitung für praktische Arbeiten wie Gartenpflege, Handwerk und Recycling. Sie werden auch mit Snacks und Mittagessen verpflegt. Für die Kinder, die kein Zuhause mehr haben, gibt es ein Heim mit Schlafmöglichkeiten. Die Sonderschule ist Anlaufstelle für Kinder mit Trisomie 21, allen Formen von Autismus, fetalem Alkoholsyndrom (Konsum von Alkohol während der Schwangerschaft), Höhr- und Seebehinderungen sowie einfachen Lernbehinderungen wie Legasthenie. Leider werden Kinder mit leichten Lernbehinderungen in den staatlichen Schulen nicht zu gelassen. Dadurch sind Behinderungen an dieser Schule sehr unterschiedlich stark ausgeprägt. Eine Konsequenz daraus ist, dass die Kinder mit Lernbehinderungen deutlich unterfordert sind. Jedoch können sie sich um Schüler mit schweren Behinderungen kümmern. Die Schüler sind in verschiedene Gruppen eingeteilt. Die Gärtner haben grüne Overalls an, die Handwerker braun-graue Arbeitskleidung, das Reinigung-Team weisse Kleidung und das Recycling-Team trägt graue Overalls. Die Schüler kommen mit normaler Kleidung zum Unterricht. Die Recycling Station ist eine super Sache. Dort wird Abfall aus den Strassen Katuturas gesammelt und getrennt. 

 

Ich durfte bis jetzt beim Sportunterricht mithelfen. Die Schule stellt dafür pro Jahr zwei Praktikanten aus Deutschland an. Ich habe die zwei jeden zweiten Mittwoch unterstützt. Je nach Art der Behinderung haben wir die Kinder einfach mit einem Ball spielen oder auf einem Skateboard herumfahren lassen. Die Kinder mit leichteren Behinderungen hatten "richtige" Trainingseinheiten in Fussball, Basketball und Unihockey. Der eine Praktikant hat sogar ein Fussballteam zusammengestellt, mit welchem er an einem Turnier teilgenommen hat. Letzte Woche gab es einen Sporttag für alle Schüler. Auf diesen Tag hatten sie im Voraus fest trainiert. Es gab Sportarten wie Hochsprung, Standweitsprung, Stafettenlauf, Weitwurf mit schweren sowie leichten Bällen und einem 100 Meter Lauf. Wichtig ist nicht die Leistung der Kinder oder wie gut sie die Übungen machen, sondern dass sie sich Bewegung und dadurch körperlich fit bleiben.

 

Mir gefällt es sehr gut bei Môreson, obwohl es deutlich anstrengender ist als bei Beautiful Kidz. Es ist schwierig mit den Kindern zu kommunizieren, da sie nicht so gut sprechen können oder da sie mein fremdes Englisch nicht verstehen. Auch sollte man keine Berührungsängste haben. Ich kriege immer sehr viele Umarmungen oder werde manchmal ziemlich fest angepackt. :-) Den Kindern fällt es schwer Grenzen und Regeln einzuhalten. Trotzdem ist sehr schön zu sehen, wie sie sich über den Sportunterricht freuen, obwohl viele Kids schwere körperliche Behinderungen haben. Es fällt ihnen nicht leicht, sich zu bewegen.

 

In den nächsten Wochen werde ich in einer Schulklasse mit dabei sein und für einen Tag beim Recycling-Team mitmachen.

Diese zwei sozial-missionarischen Projekte und noch ein paar weitere werden von der Stadtmission entweder finanziell oder mit praktischer Hilfe unterstützt. Ein Team, bestehend aus sieben Frauen aus der Gemeinde, treffen sich regelmässig und tauschen sich über die verschiedenen Projekte aus. Sie entscheiden, wo es am dringendsten Hilfe braucht und was es für Neuigkeiten gibt. Durch die Spenden der Stammi können zum Beispiel die Löhne von zwei Betreuern bei Beautiful Kidz finanziert werden. Sie organisieren auch Bastelnachmittage zum Beispiel in einem Kinderheim. Während meiner Zeit hier bin ich an den Teamsitzungen dabei und schreibe jeweils das Protokoll.

Mit diesem Auto - ausgeliehen von jemanden aus der Gemeinde - fahre ich zu den Sozialen Projekten in Katutura. Ein richtig cooler VW Citi Golf ohne irgendwelchen Schnickschnack. Meine Befürchtungen vom Auto fahren hier haben sich zum Glück nicht bestätigt. Es macht sogar richtig Spass auf der linken Seite zu fahren und nicht ständig auf ein Taxi angewiesen zu sein. :-) Trotzdem muss ich sehr aufmerksam sein, denn Strassenregeln sind mehr eine Empfehlung als ein Gesetz.

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Kommentare: 3
  • #1

    Papi (Dienstag, 13 August 2019 17:17)

    Lieber Samuel, ich habe soeben deine Berichte über die sozialen Einsätze gelesen. Einfach super wie du das machst, man bekommt so einen guten Einblick in diese sehr wichtige Arbeit. Auch toll, dass du mit dem VW Golf in Namibias Strassen herum fährst.. wäre nicht's für mich! Nun wünsche ich dir weiterhin viel Kraft für jeden Tag. Liebe Grüsse dein Papi.

  • #2

    Irene (Donnerstag, 22 August 2019 19:40)

    Hoi Samuel, nach Deinem Bericht wirt es einem wieder bewusst wie gut es uns geht. Wir nehmen alles selbstverständlich an und sind trotzdem nie Zufrieden. Wir wünschen Dir weiterhin alles Gute und viele Grüße Irene

  • #3

    Desi (Freitag, 04 Oktober 2019 12:55)

    Supertolli, sinnvolli Arbet wo ihr da chönd leiste. Respekt.
    wer hetti denkt dass du in Afrika e coolers Auto hesch als ich ;-)